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Enab Baladi (“Die Traube meines Landes”) ist eine der vielen in Syrien entstandenen alternativen Zeitungen. Statt einer Berichterstattung, die zentral aus Damaskus gesteuert wird, hat sich seit Anbeginn der Revolution ein dezentrales Netz an alternativen Medien gebildet. Enab Baladi wurde Anfang 2012 von AktivistInnen in Daraya, eine Stadt im Süden von Damaskus, die von Anfang an aktiv in die Revolution verwickelt war, gegründet. Die neue Medienlandschaft berichtet nicht nur über lokale Missstände, sondern versucht insbesondere auch syrienweite Diskurse aufzufassen und zu diskutieren.

Der folgende Artikel nimmt Bezug auf die Entwicklung in den vom syrischen Regime belagerten Gebieten. Aufgrund des Mangels an Nahrung hatten islamische Gelehrte Mitte Oktober 2013 das Essen von Hundefleisch, welches normalerweise im Islam nicht erlaubt ist, genehmigt. So weit müsse es nicht kommen, argumentiert die Enab Baladi Journalistin Hanin an-Naqri: „Vor uns liegen andere Optionen, die weniger belastend für die Seele sind“.

Werden wir Hundefleisch essen?

Von Hanin an-Naqri, 27. Oktober 2013

Die ersten Regentropfen des Winters sind keine frohe Botschaft mehr in den belagerten Gebieten, so sagen die Leute: „Gott möge uns vor diesem Winter schützen“.

Gewiss, Gott wird uns schützen: mit unseren menschlichen Werkzeugen, bestem Denken und unserer Weise, zurecht zu kommen. Kein Zweifel, dass die Lebensmittelkrise mit dem Winter zunehmen wird. Die Rolle von Vorräten wird wichtiger, aber wird das ausreichen oder werden die Leute die Fatwa (Rechtsgutachten) der Gelehrten im Umland von Damaskus, Hunde-, Katzen- und Eselfleisch zu essen, anwenden müssen?!

Ganz ruhig… Vor uns liegen andere Optionen, die weniger belastend für die Seele sind. So fiel mir zum Beispiel ein, dass man Kaninchen in den belagerten Gebieten züchten könnte. Sie gehören zu den Säugetieren, die sich in großen Zahlen vermehren und bereits im Alter von sechs Monaten trächtig werden können. Warum richten wir also nicht kleine Projekte zur Kaninchenzucht ein und profitieren von ihrem Fleisch und Fell? Ihr Fleisch ist ganz sicher schmackhafter als Hunde- oder Eselfleisch. Und der Mensch wird, wenn er es isst, nicht gedemütigt für das, was ihm der Krieg gebracht hat. Brot und Mehl und ihre Lage verschlimmert sich – warum also sich nicht an ein Leben ohne Brot gewöhnen?

Die Angelegenheit ist sicher schwierig. Aber unser Denken um sie, die Dimension, die wir ihm geben, die Stufe der Normalität darüber, das ist was, es noch schwieriger -oder eben einfacher- macht. Das Problem an der Normalität, wie wir sie uns vorstellen, ist, dass wir uns ausmalen, nicht ohne dies oder jenes leben zu werden zu können. Das Kleidungsproblem: Winter und Kälte, es herrscht ein Mangel an Winterkleidung in den Läden und sind ihre Preise stark angestiegen…

Eine Gruppe von Herausforderungen, der sich die tolle Bewegung zum Erlernen vom Nähen und Stricken stellt. Und das sind vielleicht die wichtigsten Lösungen, die fähig sind, die innere Selbstversorgung zu realisieren; ebenso wie die Hilfe zum Recycling und Erneuerung alter Anziehsachen. Unter den möglichen Lösungen ist auch, die Bildung eines offiziellen Komitees, um optimal zu nutzen, was an Ressourcen da ist: die Vorräte in den zerschossenen Häusern oder -in Absprache mit den BesitzerInnen natürlich- die Nutzung der Materialien der verlassenen Häuser.

Das Energie-Problem: Belagerung, kein Brennstoff, kein Strom. Dementsprechend müssen wir uns nach anderen Möglichkeiten zur Generierung von Strom umschauen. Im Sommer haben wir uns der Sonnenenergie zugewendet, und im Winter können wir vielleicht Windenergie und Batterien zur Herstellung von Strom benutzen.

Heizen ist im Schatten der Abwesenheit von Strom und Brennstoff auch eine neue Herausforderung. Und ich denke, dass die beste Lösung- neben anderen Wärmequellen wie Holz- eine Verbesserung der Häuserisolierungen ist. Ich spreche von den Häusern mit den Isolierungen aus Ton, in welchen unsere Großeltern wohnten, ganz erstaunt über ihre Fähigkeit- im Winter wie im Sommer- Wärme zu speichern. Wir müssen nach sparsameren Lösungen der Häuserisolierung forschen, und am besten in unserer direkten Umgebung, so dass wir sie auch wirklich anwenden können. Das sind die einfachen Lösungen um Essen, Energie und Kleidung zu sichern. Und da wir unseren Geist gelehrt haben, wird er uns die Fähigkeit geben, mehr erstaunliche Ideen zu schaffen.

Liegt das Problem an der Suche außerhalb der eigenen Boxen? Respektieren wir denn die „Menschlichkeit“ dieser Leute und sind bestrebt, ihre Würde zu erhalten, ebenso wie wir bestrebt sind, ihr Leben zu erhalten? Immer noch denken wir und versuchen zurecht zu kommen. Wir sind auf keinen Fall dazu gezwungen, Hundefleisch zu essen. Ihr habt immer noch Würde…

Dieser Artikel erschien im arabischen Original am 27.10.2013 in der 88. Ausgabe von Enab Baladi.

Übersetzung: Ansar Jasim

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